Heute werde ich den alten Dieselpassat wieder einmal nordwärts steuern, zunächst zum Konzert nach Gadenstedt in die ausverkaufte Alte Stellmacherei mit Wulli und Sonja. Danach geht es direkt weiter nach Wolfenbüttel zum Concert for Chris Jones. Für mich ist es mittlerweile das fünfte Mal, und es ist immer wieder eine Ehre und ein außerordentliches Vergnügen, Teil dieses unvergleichlichen Events und Gast des legendären bluenote e.V. zu sein. Soviele nette Menschen und so viel musikalische Kompetenz und Vielfalt auf einen Haufen – das findet man sonst nirgends. Genug der Worte, jetzt wird gepackt und dann geht es ab auf die Straße.
Nun ist es also schon Vergangenheit, mein Gast-Gastspiel als Sub am Theater. Vier Vorstellungen lang durfte ich bei der Produktion „Janis – Peace of my heart“ am Großen Haus des E.T.A.-Hoffmann-Theaters Bamberg den Hippiegitarristen hinten rechts geben – mit Perücke, rosa Weste und allem Pipapo.
Dabei habe ich innerhalb kürzester Zeit (zwangsweise) eine ganze Menge gelernt. Es ist doch so einiges anders als bei Festival-, Club-, Zelt- oder (bewahre) Linedancegigs. Das fängt beim Publikum an. *Dieses* Publikum war größtenteils nüchtern, vollständig bekleidet, aufmerksam und es hat *nicht* randaliert. Das Gleiche galt ohne Einschränkung übrigens auch fürs Ensemble – das ist bei den vorgenannten Veranstaltungen ja auch nicht unbedingt immer gegeben.
Zunächst mal klingt das sehr angenehm. Der Nachteil ist: Wenn alle konzentriert sind, bekommt *jeder* mit, wenn Du Mist baust. Und Mist bauen fängt schon an, wenn Dir in einem wichtigen Monolog lärmend, dröhnend und polternd das Plektrum runterfällt – und dabei die sprichwörtliche fallende Stecknadel übertönt. Mist bauen geht dann weiter, wenn Du nicht weißt, wie Du ohne weitere Kakophonie verursachen da wieder drankommen sollst. Mist bauen wird kritisch, weil der nächste Einzähler schon unmittelbar im Nacken sitzt. Natürlich doch noch Plektren in der Tasche gehabt. Uff. Sehr nett auch: Du wartest gespannt auf ein Stichwort, um Hendrix‘ Starsprangled Banner an der richtigen Stelle zu geben – und wenn das Stichwort dann kommt, bist Du trotzdem vollkommen perplex und fängst erst mal das Steptanzen auf dem Pedalboard an, um den zugehörigen Brachialsound hinzukriegen. Warum nicht vorher? Allein das Grundrauschen des Heldensounds hätte dem vorherigen Monolog die Qualität einer grönländischen Kurzwellenübertragung verliehen. Also besser nicht.
Am ersten Abend habe ich Blut, Wasser, Hirnflüssigkeit und Wasweißichnochalles unter meiner kratzigen Hippieperücke geschwitzt und bin gefühlte 20 Mal knapp an der Katastrophe vorbeigeschrammt. Am zweiten Abend hatte ich dann für die großen Klopper halbwegs vorgesorgt – Instrumentenwechsel vorbereitet, die Einzeltretminen durch einen Multi mit Noisegate ersetzt und so weiter und so fort – und siehe da, nur noch dreimal Kammerflimmern bis zum Vorhang. Am dritten Abend dann hatte ich endlich halbwegs die Muße, mich aufs Stück zu konzentrieren, zu genießen, was die hervorragenden Kollegen der Band und der Mimenfraktion so von sich gaben – und das eine oder andere Schwein fliegen zu lassen. Und wir haben den Laden mal echt gerockt.
Wenn ich *wir* sage, dann meine ich die ganze Crew. Natürlich zunächst mal alle, die auf der Bühne agiert haben, angefangen bei den Janissen Sybille Kreß und Elena Weber. Ich war ja mal echt richtig skeptisch. „Mercedes Benz“ beispielsweise ist als Kristallisationsobjekt der Plärrneurosen von Generationen intonationsdebiler Hobbysängerinnen derart zu Tode geritten, daß ich mir nicht vorstellen konnte, eine „unpeinliche“ Version zu hören. Aber es war nicht nur nicht peinlich, es war großartig. Sybille hat das Ding genagelt. Das Wesen erfasst und überzeugend rübergebracht. Wow. Und Elenas „Sad to be alone“ hat den alten Mann echt gerührt. Fette, fette musikalische Leistung. Chapeau. Nebenbei gesagt handelt es sich hier nicht um Vollzeitjoplinimpersonators, sondern um Ensemblemitglieder des Hauses, für das die Joplin eben nur die aktuelle Rolle ist. Unfuckingbelievable. Toll auch Matthias Tuzar in zahllosen musikalischen Rollen. Wo bitte nehmt Ihr das alles her? Und die Musik ist ja nur ein Teil, die Textpassagen haben mich jeden Abend aufs Neue gefesselt, langweilig war es auch in der Wiederholung nie.
Die *ganze* Crew sind aber auch die Nasen, deren Tätigkeitsbezeichnung ich mir zum Teil erst mal erläutern lassen mußte. Requisiteure (die mich Abend für Abend mit einer Pulle Theaterschnaps versorgt haben), Garderobieren, Schneiderei, Bühnenmeister, Inspizienz, Maskenbildner (die mir engelsgeduldig erklärt haben, daß es ratsam gewesen wäre, das richtige T-Shirt anzuziehen, *bevor* man die Perücke festklebt), Tonmeisterin Anna , die genervte Mucker mit stoischer Ruhe verarztet und einen tollen Job gemacht hat, Marylou, bei der ich bis jetzt nicht wirklich weiß, was genau Ihr Job ist, die aber immer ein gutes Wort hatte, die netten Damen von der Kasse, die mir klaglos meine Freikartenextrawürste gebraten haben – und nicht zuletzt der Getränkeautomat, der nach der Vorstellung ein kaltes Fässla ausgespuckt hat. Das ist mal Niveau.
All diese Leute waren von Anfang bis Ende echt nett zu – und geduldig mit mir. Danke herzlichst nochmal! Und ganz besonders natürlich an die großartigen Grooveschweine von der Band, die mich mit kollegialen Schubsern im Zweifelsfall immer in der Spur gehalten haben – am Baß Michael Schmidt, Drums Joachim Leyh, am gütigen Patriarchat, Keyboard und Gitarre Konrad Haas.
Es war mir ein ganz besonderes Vergnügen, diese vier Vorstellungen mitmachen zu können. Echtedz. Wergli.
Das Jahr war ein langes und buntes, obwohl es zunächst so ausgesehen hatte, als ob es etwas ruhiger würde. War aber nicht. 80 Gigs mit 22 unterschiedlichen Formationen haben mich ordentlich auf Trab gehalten. Da sind die Kombinationen, die sich bei diversen Jams ergeben haben, nicht gerechnet. Dabei sind gerade das auch die interessantesten Erlebnisse: So neulich gleichzeitig, konstruktiv und wie ich finde wohlklingend auf einer Bühne mit Mathew James White, Robert Carl Blank (ich muß mir auch einen zweiten Vornamen zulegen), Tom Ripphahn, Wulli Wullschläger & Sonja Tonn, Slavko Hilvert, Filip Hilvert. Das war echt ein Brett – beim Concert for Chris Jones in Wolfenbüttel, ebenso wie der Slot mit Brixelenz. Oder mit Janet M. Christel und Udo Schwendler in der BR-Medienakademie, angehende Toningenieure ärgern. Oder mit Rudi Madsius und Band beim Strohalmbenefiz. Oder die Laubensession mit Pilger und Steff Porzel. Oder oder oder.
Also möchte ich mich doch mal öffentlich bedanken bei all den Auftraggebern, die mir dieses Jahr zu Brötchen verholfen waren, als da wären in alphabetischer Reihenfolge (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
All You Need Is Love
Amarillo
Birgit Endres Band
Britta T & Band
Just Coutry Light
Mountarillo
Ronny Nash Band
Sebbo
Skyline Riders
Strohalmband
Texadillos
Texas Rooster
Travis Truitt & Band
Ulla Wolf Band
Washboardbellies
Wilder Pilger
Wulli & Sonja
Hoffen wir mal, daß das nächste Jahr genauso bunt wird! Auf zu neuen Ufern.
Als Sideman (nicht nur) der sechssaitigen Fraktion wird man ja von den ausführenden Organen der schreibenden Zunft gerne mal unterschlagen. Das ist eben allgemeines Berufsrisiko.
Der Fokus des Interesses der Massen liegt natürlich auf dem Text in Tönen absondernden Individuum in der Mitte der Bühne (vulgo: “Frontman”). Dessen Beurteilung wird in unzähligen Castingshows vorexerziert – der Rest des musikalischen Fußvolks firmiert unter Beiwerk.
Bandsound ist natürlich Teamwork. Der musikalisch und musiktheoretisch unvorbelastete Zuhörer bewertet immer das *summierte* Ergebnis dessen, was der lobotomierte Bassist, der hyperaktive Drummer, der verkopfte Keyboarder und der schizophrene graubärtige Dudelfreak an der Gitarre von sich geben. Und *wehe* sie kommen dem Vokalkonsonantemittenten in den Weg.
Aber: so soll es ja auch sein. Vom Kritiker hingegen wäre eigentlich mehr zu erwarten. Sein Job wäre es, aus einer kompetenten Position heraus eine Bewertung abzugeben, die Gutes und Schlechtes benennt und für den Leser verständlich darstellt – und am Ende ein Fazit zu ziehen, das subjektiv sein darf und muß.
In meiner gesamten Laufbahn habe ich aber kaum eine Kritik über Produktionen gelesen, an denen ich beteiligt war, die im Rahmen der natürlich im Print knapp, aber in Blogs reichlich zur Verfügung stehenden Zeilen auch nur halbwegs differenziert auf die Einzelleistungen abgehoben hätte. Ich denke, es wäre durchaus einmal an der Zeit, daß Musiker Kritiker in einem öffentlichen Forum beurteilen – und die Freikarten zu Konzerten nach Qualifikation vergeben werden. Fliegende Bleistifte, verwehte Notizblöcke (if any)…
Aber das ist ja nur der Wiederschein der Rezeption, der auf dem gemeinen Gitarristen dieser Tage lastet. Speziell Gitarrensoli generieren heutzutage ähnlich viel Aufmerksamkeit wie ein leerer Baustellenbierkasten – oder ein Bassolo. Sofern man nicht gerade
- die Miene zur Fratze verzieht (gähn),
- mit Biergläsern Slide dilettiert (gääähn),
- auf den Knien spielt (gääääähn),
- auf dem Rücken liegend über die Bühne robbt (Unterkiefer durch Gähnen ausgekugelt) oder
- sich auf der Bühne mit Kerosin überschüttet und anzündet (die erste Reihe unterbricht immerhin kurz das angeregte Gespräch)
kann man die Hoffnung auf einen bleibenden Eindruck eigentlich auch gleich begraben. Der musikalische Nährwert solcher Übersprungshandlungen ist eh gleich Null und ruiniert nur die Klamotten – deren Säuberung die Bilanz des Gigs weiter ins Minus treiben würde. Aber: Sind Pressevertreter vor Ort, wären diese Verzweiflungsmaßnahmen üblicherweise der einzige Weg in einen Nebensatz des Musikernirwanas – der Kritik. Leider ist das komplett unabhängig davon, ob der Delinquent tatsächlich etwas zu sagen hat.
Gestaltung des Arrangements durch Abwesenheit von sinnlosem Genudel und die Erzeugung von “Luftigkeit” im Sound durch sparsames Spiel ist ebenfalls nicht gerade pressewirksam. Das ist wie mit den Löchern im Emmentaler, die will auch keiner zahlen.
Instrumentale Leistungen wahrzunehmen und zu kommentieren erfordert vom Schreibenden eine gewisse musikalische Mindestkompetenz, die nicht immer (räusper) gegeben ist. Viele beherrschen nicht mal *ihr* Metier, angefangen bei Orthographie und Grammatik (was seit der Wegrationalisierung der Berufssparte “Lektor” den Älteren unter uns ab und zu auffällt). Da erschöpfen sich “Kritiken” dann schnell mal in der Wiedergabe der Setlist und dem Lob an die Küche der jeweiligen Location.
Duoformationen haben also für einen Sideman – schon rein mathematisch gesehen – eher mal Pressepotential. Tendenziell ist die nachstehende Kritik hier etwas sehr euphorisch ausgefallen, was meine Person betrifft, wie ich finde – aber der Mensch freut sich. Lieber so als ein Verriss. (Note to self: Gagenforderungen im Halm umgehend verdoppeln, dann sind die Portokosten für ein Jahr Finanzamtskorrespondenz endlich gedeckt). Immerhin hat sich der Kritisierende das Konzert über die volle Länge angetan.
Und Kritiken sind ja auch immer Feedback und Maßstab – und man braucht sie für die Pressemappe. (Blödsinn. Isch ‘abe gar keine Pressemappe.) Der Mensch im allgemeinen und der Gitarrist im besonderen ist als akustischer Exhibistionist nun mal eitel und geltungsbedürftig. In so fern sei es mir gestattet, eine Kritik anzuhängen, die mich als “einen der genialsten und vielseitigsten Gitarristen Deutschlands” feiert – und mich somit in eine Reihe mit Ricky King und Rudi Buttas stellt. Oder so ähnlich. Man sagt mir immer wieder, ich könnte mit Lob nicht umgehen. Dies ist mal ein Versuch.
Hier also das Wolfenbütteler Schaufenster über ein wirklich geiles Konzert mit Florian Baessler vom Februar 2013 – die ausgezeichnete Kritik ist vollkommen berechtigt, wie ich finde. Die Begründung ist allerdings mangelhaft, die Recherche lückenhaft. Aber: Egal. Ich bin stolz wie Bolle. Wir haben den Abend gerockt. Wir haben sie nass gemacht. Braucht jemand einen Presseausweis? Freikarten? Backstagepässe? Contact me! Ich bin fast unbestechlich.
Lange war ja nun Pause mit Neuigkeiten. Das lag zum einen daran, daß es nichts wirklich Neues zu vermelden gab. Die üblichen Gigs mit den üblichen Verdächtigen in den üblichen Locations. Zum anderen war ich damit beschäftigt, mich darauf vorzubereiten, ein überaus komisches Gefährt quer durch die Republik zu treten. Das habe ich im Januar dann auch getan. Für ein paar Monate hat die Musik in meinem Leben mal nicht die allererste Geige gespielt – eine erfrischende Erfahrung. Damit ist es jetzt aber auch wieder gut.
Die jährliche Kultursenke – auch als Fasching bekannt – ist im Gegensatz zur Eurokrise nun durchschritten, Pferdefleisch ist in aller Munde, der Papst dankt ab, der Strohalm schrammt mal wieder an der Pleite vorbei – die Welt dreht sich weiter, und auch auf mich kommt Neues zu.
Da wäre zunächst der Gig in Wolfenbüttel beim legendären Blue Note e.V. mit dem Wilden Pilger am 23.2. in der Komisse, auf den ich mich sehr freue. Eine Chance für die Nordlichter, so weit hinauf komme ich erst im Sommer wieder. Kontrastprogramm die Woche drauf: Ich habe das Vergnügen, das erste Mal bei den Fabulous Texadillos aushelfen zu können – in Oberbayern, im Okee Dokee in Au/ Hallertau. Knochentrockener Texas Honky Tonk, yeah.
In der Woche darauf wird hoffentlich der Strohalm gerettet. Am 8.3.2013 findet ein großes Benefizkonzert in der Erlanger Hugenottenkirche statt – mit Greg McKoy, Thomas Fink, Günter Stössel, Rudi Madsius, der Strohalmband und vielen anderen! Hingehen, es lohnt sich sicher – und ist eine gute Tat für einen der wenigen Plätze in der Region, wo Musik nicht aus der Dose kommt, sondern mit der Hand frisch zubereitet in die Gehörgänge gefüllt wird.
Vom 14.3 bis zum 17.3. gibt es dann eine Minitour mit WilderPilger Deluxe, auf die ich mich enorm freue. Viel zu selten sind wir in voller Bandformation unterwegs:
14.3. Strohalm Erlangen
15.3. Mojow Bamberg
16.3. Jungeggers Schwabach
17.3. Kulturfabrik Roth
Und last, aber natürlich nicht least geht es am 30.03.2013 mit Amarillo mal wieder ins Four Corners in Untermeitingen bei Augsburg. Das Four Corners ist ein toller Club, der in Untermeitingen bei Augsburg etwas abseits meines üblichen Einzugsgebietes liegt, aber die Fahrt lohnt sich jedes Mal – tolle Atmposphäre und ein tolles Publikum. Und mit Amarillo dem New- und NotSoNew-Country zu frönen ist immer wieder schön. Also bis irgendwann irgendwo im Februar oder März.