Nun ist es also schon Vergangenheit, mein Gast-Gastspiel als Sub am Theater. Vier Vorstellungen lang durfte ich bei der Produktion „Janis – Peace of my heart“ am Großen Haus des E.T.A.-Hoffmann-Theaters Bamberg den Hippiegitarristen hinten rechts geben – mit Perücke, rosa Weste und allem Pipapo.
Dabei habe ich innerhalb kürzester Zeit (zwangsweise) eine ganze Menge gelernt. Es ist doch so einiges anders als bei Festival-, Club-, Zelt- oder (bewahre) Linedancegigs. Das fängt beim Publikum an. *Dieses* Publikum war größtenteils nüchtern, vollständig bekleidet, aufmerksam und es hat *nicht* randaliert. Das Gleiche galt ohne Einschränkung übrigens auch fürs Ensemble – das ist bei den vorgenannten Veranstaltungen ja auch nicht unbedingt immer gegeben.
Zunächst mal klingt das sehr angenehm. Der Nachteil ist: Wenn alle konzentriert sind, bekommt *jeder* mit, wenn Du Mist baust. Und Mist bauen fängt schon an, wenn Dir in einem wichtigen Monolog lärmend, dröhnend und polternd das Plektrum runterfällt – und dabei die sprichwörtliche fallende Stecknadel übertönt. Mist bauen geht dann weiter, wenn Du nicht weißt, wie Du ohne weitere Kakophonie verursachen da wieder drankommen sollst. Mist bauen wird kritisch, weil der nächste Einzähler schon unmittelbar im Nacken sitzt. Natürlich doch noch Plektren in der Tasche gehabt. Uff. Sehr nett auch: Du wartest gespannt auf ein Stichwort, um Hendrix‘ Starsprangled Banner an der richtigen Stelle zu geben – und wenn das Stichwort dann kommt, bist Du trotzdem vollkommen perplex und fängst erst mal das Steptanzen auf dem Pedalboard an, um den zugehörigen Brachialsound hinzukriegen. Warum nicht vorher? Allein das Grundrauschen des Heldensounds hätte dem vorherigen Monolog die Qualität einer grönländischen Kurzwellenübertragung verliehen. Also besser nicht.
Am ersten Abend habe ich Blut, Wasser, Hirnflüssigkeit und Wasweißichnochalles unter meiner kratzigen Hippieperücke geschwitzt und bin gefühlte 20 Mal knapp an der Katastrophe vorbeigeschrammt. Am zweiten Abend hatte ich dann für die großen Klopper halbwegs vorgesorgt – Instrumentenwechsel vorbereitet, die Einzeltretminen durch einen Multi mit Noisegate ersetzt und so weiter und so fort – und siehe da, nur noch dreimal Kammerflimmern bis zum Vorhang. Am dritten Abend dann hatte ich endlich halbwegs die Muße, mich aufs Stück zu konzentrieren, zu genießen, was die hervorragenden Kollegen der Band und der Mimenfraktion so von sich gaben – und das eine oder andere Schwein fliegen zu lassen. Und wir haben den Laden mal echt gerockt.
Wenn ich *wir* sage, dann meine ich die ganze Crew. Natürlich zunächst mal alle, die auf der Bühne agiert haben, angefangen bei den Janissen Sybille Kreß und Elena Weber. Ich war ja mal echt richtig skeptisch. „Mercedes Benz“ beispielsweise ist als Kristallisationsobjekt der Plärrneurosen von Generationen intonationsdebiler Hobbysängerinnen derart zu Tode geritten, daß ich mir nicht vorstellen konnte, eine „unpeinliche“ Version zu hören. Aber es war nicht nur nicht peinlich, es war großartig. Sybille hat das Ding genagelt. Das Wesen erfasst und überzeugend rübergebracht. Wow. Und Elenas „Sad to be alone“ hat den alten Mann echt gerührt. Fette, fette musikalische Leistung. Chapeau. Nebenbei gesagt handelt es sich hier nicht um Vollzeitjoplinimpersonators, sondern um Ensemblemitglieder des Hauses, für das die Joplin eben nur die aktuelle Rolle ist. Unfuckingbelievable. Toll auch Matthias Tuzar in zahllosen musikalischen Rollen. Wo bitte nehmt Ihr das alles her? Und die Musik ist ja nur ein Teil, die Textpassagen haben mich jeden Abend aufs Neue gefesselt, langweilig war es auch in der Wiederholung nie.
Die *ganze* Crew sind aber auch die Nasen, deren Tätigkeitsbezeichnung ich mir zum Teil erst mal erläutern lassen mußte. Requisiteure (die mich Abend für Abend mit einer Pulle Theaterschnaps versorgt haben), Garderobieren, Schneiderei, Bühnenmeister, Inspizienz, Maskenbildner (die mir engelsgeduldig erklärt haben, daß es ratsam gewesen wäre, das richtige T-Shirt anzuziehen, *bevor* man die Perücke festklebt), Tonmeisterin Anna , die genervte Mucker mit stoischer Ruhe verarztet und einen tollen Job gemacht hat, Marylou, bei der ich bis jetzt nicht wirklich weiß, was genau Ihr Job ist, die aber immer ein gutes Wort hatte, die netten Damen von der Kasse, die mir klaglos meine Freikartenextrawürste gebraten haben – und nicht zuletzt der Getränkeautomat, der nach der Vorstellung ein kaltes Fässla ausgespuckt hat. Das ist mal Niveau.
All diese Leute waren von Anfang bis Ende echt nett zu – und geduldig mit mir. Danke herzlichst nochmal! Und ganz besonders natürlich an die großartigen Grooveschweine von der Band, die mich mit kollegialen Schubsern im Zweifelsfall immer in der Spur gehalten haben – am Baß Michael Schmidt, Drums Joachim Leyh, am gütigen Patriarchat, Keyboard und Gitarre Konrad Haas.
Es war mir ein ganz besonderes Vergnügen, diese vier Vorstellungen mitmachen zu können. Echtedz. Wergli.